Website-Benchmarking: Direktbanken führend in der proaktiven Risikoaufklärung

Nicht zuletzt seit Ausbruch der weltweiten Finanzkrise, deren Auswirkungen auch viele Privatanleger empfindlich getroffen haben, ist die Bedeutung des Kundenvertrauens für Banken in den Fokus gerückt. Insbesondere in der Risikoaufklärung wurde in der Krise durch mangelnde Transparenz viel Vertrauen verspielt. In einer Benchmarking-Studie von bankenversicherungen.de wurde die proaktive Risikoaufklärung als Ansatzpunkt der Vertrauensbildung gegenüber dem Privatanleger analysiert.

Risiko und Risikoaufklärung

Im Finanzbereich spricht man von Risiko, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich ein Finanzgeschäft für einen Geschäftsteilnehmer anders entwickelt, als erwartet. Je nach Art des Finanzgeschäfts treten verschiedene Risiken auf. Anleger, die in Aktien, Anleihen oder Derivate investieren, tragen u. a. ein Kursrisiko, sowie das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz des Emittenten.

Wichtig ist dabei, dass der Anleger den Zusammenhang zwischen Risiko und Renditeerwartung versteht und je nach seiner persönlichen Risikoeinstellung danach handelt. Dieser Zusammenhang kann anhand der Kapitalmarktlinie (Abbildung) verdeutlicht werden. Sie legt zugrunde, dass jeder Investor grundsätzlich risikoscheu ist und für jedes Risiko, das über dem einer als risikolos geltenden Anlage liegt, eine entsprechend höhere Rendite erwartet. Liegt das Risiko-Renditeverhältnis dabei unter dem des Marktportfolios, spricht man von einem defensiven Portfolio, liegt es darüber, spricht man von einem aggressiven Portfolio. Wie aggressiv oder defensiv der Anleger sein Portfolio gestaltet, hängt von der persönlichen Risikoeinstellung und den Lebensverhältnissen ab.

Abbildung 1 Kapitalmarktlinie

Portfoliotheorie und Betafaktoren gehören zum Standardwerkzeug der Risikobetrachtung für Banken und Versicherungen. Aber viele Bankkunden kennen die Grundlagen der Portfoliotheorie nicht und mit der Angabe des Betafaktors für das Marktrisiko einer Aktie oder eines Portfolios können wohl die meisten Anleger nichts anfangen. Zudem ist die Aussagefähigkeit der Portfoliotheorie und des Betafaktors umstritten, da sie zwar einen Hinweis auf mögliche Anlagerisiken geben können, keineswegs aber eine Gewähr für das zukünftige Risiko, denn die Berechnung des Betafaktors basiert nur auf Vergangenheitswerten. Darüber hinaus variieren die Ergebnisse stark in Abhängigkeit der Betrachtungsperiode. Die Kunst besteht also darin, dem Privatkunden einerseits eine einfache und benutzerfreundliche Risikoaufklärung zu geben, andererseits aber auch auf die beschränkte Aussagekraft gängiger Modelle hinzuweisen

Ziel der Risikoaufklärung ist es, den Zusammenhang zwischen Rendite, Risiko und Liquidität für den Kunden verständlich darzustellen sowie die möglichen Verlustarten und Verlusthöhen aufzuzeigen, die mit einem Finanzgeschäft verbunden sein können. Eine grundsätzliche Pflicht zur Risikoaufklärung ist in § 31 Abs. 4 und 5 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) gesetzlich verankert, das jedoch lediglich das Abprüfen von Kundenkenntnissen zu Anlagerisiken vor der Ausführung von Kundenorders vorschreibt. Mit proaktiver Risikoaufklärung können Banken über die gesetzlichen Regelungen hinaus Kundenvertrauen ausbauen, indem sie ihren Kunden mögliche Risiken im Zusammenhang mit ihren Finanzgeschäften erklären und Strategien zum Umgang mit dem Risiko aufzeigen. Dies kann durch entsprechende Text- oder Multimediainhalte bzw. durch interaktive Tools geschehen.

Studie zur proaktiven Risikoaufklärung

In der Studie wurde im Herbst 2013 die proaktive Risikoaufklärung auf 29 Banken-Websites im Wettbewerbsvergleich untersucht. Die Ergebnisse der Gesamtauswertung lassen sich zu zwei Aussagen verdichten: Zum einen liegen die Direktbanken bei der proaktiven Risikoaufklärung vorne. Bei den Top 5 handelt es sich ausschließlich um Internetauftritte von Direktbanken. Zum anderen besteht im Bereich der proaktiven Risikoaufklärung bei der Mehrzahl der Banken noch viel Verbesserungspotenzial. Dies wird an den Ergebnissen der Einzelauswertungen deutlich, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.

Tool-Unterstützung zur Bestimmung der Risikoneigung

Das erste der vier untersuchten Kriterien ist das Vorhandensein eines Tools zur Bestimmung der Risikoneigung. Die Wahl dieses Kriteriums wird durch die Schwierigkeit begründet, die Anleger haben, die eigene subjektive Risikoneigung richtig einzuschätzen. Statt die Risikoneigung ausschließlich z. B. auf der Basis einer Skala von eins bis fünf abzufragen, könnten Banken Tools bereitstellen, die bei der Beantwortung der Frage nach der Risikoneigung helfen. Dem Benutzer könnten Fragen gestellt werden und je nach Beantwortung beurteilt das Tool die Risikoneigung des Users. Die üblichen Fragen nach Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) zählen dabei nicht, schließlich geht es um Anstrengungen, die über rein gesetzliche Anforderungen hinausgehen. Dieses Kriterium wurde von keiner der untersuchten Banken-Websites erfüllt. Einige Banken boten hingegen Tool-Unterstützung bei der Risikoanalyse von bestehenden Kundendepots.

Aufklärung Risikoarten

Bei der Aufklärung zu den Risikoarten wurde das Vorhandensein von Textinhalten zu unterschiedlichen Risikoarten überprüft, so dass Kunden das Risiko inhaltlich verstehen können (z. B. zu Emittentenrisiko, Länderrisiko, Währungsrisiko, Kursrisiko usw.). Dieses Kriterium wurde von 13 der 29 untersuchten Banken-Websites erfüllt.

Aufklärung Risikoverringerung

Bei diesem Kriterium wurde das Vorhandensein von Textinhalten zu den Möglichkeiten, bestehende oder künftige Risiken zu verringern, überprüft. Eine Orientierung dieser Art wurde lediglich von sechs der untersuchten Internetauftritte angeboten.

Berücksichtigung von Risiko bei der Angebotsbeschreibung

Das letzte Kriterium befasste sich mit Risikohinweisen in der Beschreibung des Bankangebots. Es wurde untersucht, ob Chancen und Risiken einzelner Angebote ausgewogen und transparent dargestellt wurden und ob klar zum Ausdruck gebracht wurde, dass hohe Rendite immer mit hohem Risiko verbunden ist und dass risikoarme Anlagemöglichkeiten auch mit geringen Renditemöglichkeiten einhergehen. Die Auffindbarkeit dieser Informationen floss mit in die Bewertung ein. Dieses Kriterium konnten 18 der 29 untersuchten Websites erfüllen.

Verbesserungspotenzial

Wie kann also das von der Studie aufgezeigte Verbesserungspotenzial genutzt werden? Das Thema Risiko ist komplex, daher sollte der Kunde durch verständliche und kundenorientierte Inhalte über das Risiko-Rendite-Verhältnis seines Geschäfts aufgeklärt werden. Wird der Kunde zusätzlich durch ein interaktives und benutzerfreundliches Tool dazu eingeladen, diese Zusammenhänge sowie seine persönliche Einstellung zu Rendite und Risiko spielerisch zu erfahren, entsteht für den Kunden ein echter Mehrwert und die Bank kann wichtige Pluspunkte in Sachen Kundenvertrauen sammeln.

Sabine Schmidt 11/2013

Siehe u.a. folgende weiterführende Literatur zum Thema:

Gesetz über den Wertpapierhandel (WpHG) (zuletzt geändert durch Art. 8 G v. 4.7.2013) § 31 Abs. 4 und 5
Neale, Bill und Trefor McElroy. Business Finance. Essex: 2004