Studienkredite: Wie gestalten Banken das neue Aktivprodukt?

[Text als pdf]

Studienkredite sind speziell auf die Belange von Studierenden zugeschnittene Finanzierungsangebote der Banken, teilweise auch anderer Institutionen, wie z. B. Bildungsfonds. Andere Finanzierungsprodukte von Banken – z. B. Konsumentenkredite, Ratenkredite, Privatkredite – sind für Zwecke der Studienfinanzierung weniger geeignet. In einer Untersuchung von Angebots- und Nachfrageseite analysierte bankenversicherungen.de Studienkredite.

Studienkreditnachfrage

In einer Untersuchung von bankenversicherungen.de zur Nachfrageseite des Studienkreditmarkts in Deutschland äußerten immerhin 58 Prozent der Studienanwärter und 63 Prozent der Studierenden Angst vor einer Verschuldungsfalle. Studienkredite sind also im Normalfall nicht die erste Wahl bei der Studienfinanzierung. Trotzdem stellen sie eine wichtige und ernstzunehmende Alternative zur Finanzierung durch Studentenjobs dar.
Auf der Nachfrageseite analysierten wir zunächst den monatlichen Finanzierungsbedarf. Dazu gehören z. B. Miete, Lebensmittel, Versicherungen, Kosten für Kultur und Freizeit sowie Fahrtkosten. Dazu kommen enger mit dem Studium in Zusammenhang stehende Aufwendungen wie z. B. Kosten für Bücher, Kopien und seit kurzem die Studiengebühren – bei privaten Hochschulen in beträchtlichem Ausmaß.
Bei einer Befragung gaben die meisten der Studierenden an, dass sie monatliche Ausgaben zwischen 200 und 500 Euro zu tragen haben.

ausgabenbetrag

Ein Großteil davon entfällt auf Lebensunterhalt, Miete und Fahrtkosten.

ausgaben

Neben dem monatlichen Finanzierungsbedarf sind Finanzierungsalternativen von besonderem Interesse. Wir unterscheiden Eigen- und Fremdfinanzierung sowie Mischformen daraus. Erbschaften, eigenes Vermögen oder die Deckung der Kosten durch die Eltern können als Eigenfinanzierung gezählt werden. Zur Eigenfinanzierung zählt auch der Verdienst aus einem Studentenjob. Allerdings ist dieser ökonomisch problematisch, da er in der Regel das Studium verlängert. Verlängert er es z. B. um ein Semester, ist dem Verdienst durch den Studentenjob ein zwar zeitlich verzögerter, aber dennoch unmittelbar dadurch verursachter Einkommensverlust von einem halben Jahr als ausgebildete/r Akademiker/in gegenüberzustellen. Das können leicht zwischen 15.000 und 20.000 Euro sein. Diese Art der Eigenfinanzierung ist also vergleichsweise teuer. Gleichwohl hat bei unserer Untersuchung die Mehrzahl der Studierenden angegeben, die Finanzierung auch aus eigener Kraft zu bestreiten.

Zur Fremdfinanzierung zählt man z. B. Stipendien und staatlichen Zuwendungen (BAföG). Wenn ein Stipendium nicht in Frage kommt oder nicht ausreicht, bleibt als Alternative die Studienfinanzierung durch Banken. Dieses Finanzierungsinstrument ist relativ neu. Erst mit Einführung der Studiengebühren bildete sich ein entsprechendes Angebot heraus – etwas verwunderlich, betragen die Studiengebühren doch weniger als 20 Prozent der Kosten. In unserer Untersuchung stellten wir fest: Nur 41 der 488 untersuchten Institute (8 Prozent) bieten einen eigenen Studienkredit an, 63 Prozent der Banken und Sparkassen vermitteln das staatliche Studienkreditangebot der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).

Studienkreditangebot

Vergabebedingungen

Die meisten Studienkreditangebote sind zweckgebunden für die Finanzierung eines Studiums einzusetzen. Studienkredite werden im Normalfall nur an Personen im Studierendenalter vergeben. Über 60 Prozent der Studienkreditangebote beschränken das Höchstalter bei Antragstellung auf 30 Jahre.

hoechstalter

Nicht alle Studienkreditangebote gelten für alle denkbaren Studiensituationen. Manche Angebote sind z. B. auf staatliche Hochschulen oder auf bestimmte Bundesländer eingeschränkt. Sparkassen sowie Volksbanken und Raiffeisenbanken begrenzen ihre Angebote häufig auf die eigene Region. Das hat zur Folge, dass entweder der Wohn- oder der Studienort in dieser Region liegen muss. Etwa 17 Prozent der Angebote sind auf das Erststudium beschränkt. Eine weitere Restriktion ist bei manchen Angeboten die Nationalität des Kreditnehmers: nicht alle Angebote gelten auch für Kreditnehmer aus einem Nicht-EU-Staat.
Vereinzelt finden sich im Markt der Studienkredite Forderungen nach Empfehlungsschreiben der Hochschule oder Tests, die überprüfen sollen, ob Kreditnehmer zum Studium qualifiziert sind. In unserer Untersuchung lehnte die Mehrzahl der befragten Studierenden eine solche Kredithürde ab.
In manchen Fällen verlangen Banken spezielle Sicherheiten, bevor Sie einen Studienkredit bewilligen. Bei 13 Prozent der untersuchten Kredite müssen die Studierwilligen etwa bestehende Lebensversicherungen an die Bank verpfänden. Eine Bank verlangt eine Bürgschaft. 58 Prozent der Abiturienten und 53 Prozent der Studierenden lehnen die Stellung von Sicherheiten grundsätzlich ab.

Phasen des Studienkredits: Auszahlung – Karenz – Rückzahlung

Studienkredite sind im Hinblick auf ihre zeitliche Gestaltung speziell auf übliche Studienverläufe zugeschnitten. Während der Auszahlungsphase werden dem Kreditnehmer monatliche Geldmittel für die Finanzierung des Studiums zur Verfügung gestellt. Als Nachweis werden in aller Regel regelmäßig und selbständig einzureichende Immatrikulationsbescheinigungen verlangt. Zinszahlungen sind in dieser Phase normalerweise nicht notwendig. Die Zinsen werden während dieser Zeit aber nur gestundet, d. h. die Zahlung ist auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Zu beachten ist hierbei, dass gestundete Zinszahlungen den Kreditbetrag entsprechend erhöhen und damit ebenfalls verzinst werden müssen. Die Auszahlungsphase deckt sich normalerweise mit der Studiendauer. Bei den meisten Studienkrediten ist die Auszahlungsdauer jedoch auf eine bestimmte Zeit beschränkt. Im Durchschnitt beträgt die maximal mögliche Auszahlungsdauer 11,6 Semester. Vor Abschluss eines Kreditvertrags sollte geprüft werden, ob die Dauer der Auszahlungsphase im Rahmen der maximalen Auszahlungsdauer auch flexibel an den Studienverlauf angepasst werden kann.
Nach Studienabschluss wird in der Regel eine Karenzphase gewährt. Während dieser Zeit finden keine Auszahlungen mehr statt. Die Kreditnehmer nehmen dann ihre Erwerbstätigkeit auf und können nunmehr ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Die Bank verlangt in dieser Phase noch keine Rückzahlung des Studienkredits. Allerdings wird der bis dahin insgesamt ausgezahlte Kreditbetrag weiter verzinst. Bei den meisten Studienkreditangeboten beträgt die Karenzdauer entweder ein Jahr oder zwei Jahre. Nur wenige Studienkreditangebote erlauben die flexible Festlegung der Karenzphase.
Während der Rückzahlungsphase wird der Kredit im Regelfall mit einem festen Monatsbetrag getilgt. Die Tilgungsdauer ist so bemessen, dass eine Rückzahlung für Erwerbstätige normalerweise problemlos möglich ist. Sie beträgt üblicherweise zehn Jahre.

tilgungsdauer

Solange der Studienkredit noch nicht voll zurückbezahlt ist, wird der Kreditrestbetrag weiter verzinst. Deshalb ist es für die meisten Kreditnehmer vorteilhaft, Kreditangebote hinsichtlich der Möglichkeit von Sondertilgungen oder einer flexiblen Tilgungsdauer zu prüfen. Etwa die Hälfte der Studienkredite ermöglicht Sondertilgungen; bei einem Viertel besteht Flexibilität bei der Festlegung der Annuität und damit bei der Tilgungsdauer.

Monatlicher Auszahlungsbetrag

In vielen Fällen muss der Studienkredit die gesamten Kosten des Studiums einschließlich der Kosten für den Lebensunterhalt während der Studiendauer decken. Aber nicht alle Studienkredite sind darauf ausgelegt. Es gibt einige staatliche Kreditprogramme, die lediglich die Studiengebühren finanzieren, also bis zu 83 Euro pro Monat. Die Kreditangebote von Banken sind diesbezüglich realistischer. Der maximale Auszahlungsbetrag pro Monat beträgt im Durchschnitt 503 Euro. Hier gibt es aber erhebliche Unterschiede im Markt für Studienfinanzierungen.

auszahlungsbetrag

Flexibilität

Auch hinsichtlich der notwendigen Flexibilität des Studienkredits gibt es große Unterschiede bei den Bankangeboten. Die meisten Studierenden bevorzugen maximale Flexibilität beim Auszahlungsbetrag, sowie der Auszahlungs-, Karenz- und Tilgungsdauer. Außerdem soll sich ein Studienkredit auch an besondere Studiensituationen anpassen. Zum Beispiel soll die Auszahlung ausgesetzt werden können, während man im Pflichtpraktikum eine Praktikumsvergütung erhält oder es soll die Auszahlung erhöht werden können, während man im Ausland höhere Studiengebühren bezahlen muss.

Zinssatz, Zinsbindung, Gebühren

Der Zinssatz beträgt im Durchschnitt 5,1 Prozent pro Jahr, allerdings mit einer beachtlichen Marktstreuung. Die Angebotskonditionen werden überdies laufend an die aktuellen Marktzinssätze angepasst. Die meisten Studierenden wünschen sich Sicherheit bezüglich der Konditionen und bevorzugen die Festschreibung der Zinsen für die gesamte Laufzeit. Nur etwa 20 Prozent der Angebote sind darauf ausgelegt. Eine Bindung an den Leitzins bieten derzeit ebenfalls nur wenige Banken an. Vereinzelt verlangen Banken zusätzliche Gebühren für die Gewährung des Studienkredits.

Fazit

Vergleicht man die Studienergebnisse aus der Befragung von Schülern und Studierenden mit den Ergebnissen der Untersuchung zum Studienkreditangebot, so zeigt sich eine deutliche Abweichung von den Anforderungen und Kundenwünschen zu den angebotenen Leistungen der Banken. Kunden und potenzielle Kunden erwarten wesentlich mehr Flexibilität – insbesondere hinsichtlich der Anpassung an unvorhersehbare Studienverläufe und bei den Möglichkeiten vorzeitiger Tilgung.

Thomas Bahlinger, Christian Voit, Matthias Fischer